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Unter Schirmherrschaft von Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe war heuer der 75. Todestag von Wilhelm Leuschner im Mittelpunkt der ‚15. Bayreuther Gespräche‘. Die Kooperationsveranstaltung von Stiftung, der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, DGB Oberfranken und dem Förderverein Leuschner-Zentrum im Alten Rathaussaal Bayreuth fand an seinem Todestag statt.

Am 29. September 1944 wurde Leuschner nach dem Schauprozeß am 7. und 8. September 1944 vor dem Volkgerichtshof, dessen Präsident Roland Freisler sein Todesurteil verkündete, in Berlin-Plötzensee durch die Nazi-Schergen durch den Strang ermordet.

In zwei Referaten und einer anschließenden Podiumsdiskussion wurde an sein Erbe des deutschen Widerstands erinnert und neuere Forschungsergebnisse zur Breite des Widerstands in der deutschen Bevölkerung vorgestellt.

Als Vertreter der Stadt Bayreuth betonte der Kulturreferent Benedikt Stegmayer in seinem Grußwort die besondere Rolle Leuschners im deutschen Widerstand und die Verpflichtung der Stadt die Erinnerung an sein mutiges Handeln wach zu halten. Für den DGB betonte Regionsgeschäftsführer Mathias Eckardt die Notwendigkeit des Widerstands von Leuschner und seiner Mitstreiter_innen für die Erinnerungsvermittlung an die heutige Jugend, damit es nie mehr zu einer Herrschaft des Unrechts komme. Die Einheit der Gewerkschaftsbewegung, die Leuschner in seinem Appell am Vorabend seines Todes an die Mitgefangenen richtete bedeute auch heute noch Mahnung und Verpflichtung für demokratisches Handeln in unserer Gesellschaft.

Dr. Ludwig Unger von der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit zeigte in seinem Vortrag über den Widerstand in Oberfranken die Breite der Widerstandsgruppen in der Region auf. Er sprach von der Arbeiterbewegung und kirchlichen und bürgerlichen Gruppen, die sich dem menschenverachtenden Naziregime entgegensetzten. Er betonte, dass Leuschner ein normaler Mensch mit allen Stärken und Schwächen gewesen sei; ein Vorbild damals und heute.

Im Vortrag von Wolfgang Hasibether ging es um die Forschungsergebnisse zum Ausmaß des deutschen Widerstands. Nach 1945 verfestigte die Geschichtsforschung die Propagandathese der Nazis von einer ‚kleinen Clique ehrgeizzerfressener, feiger Verräter‘, wie es schon im Urteil des Volksgerichtshofs vom 8. September 1944 von Roland Freisler verkündet wurde. Trotz früher Hinweise von Zeitzeugen auf die breite Verankerung des Netzwerks Leuschners, das dieser in drei Phasen ab 1934 aufgebaut habe, wurde in der Widerstandsforschung bis in die 1970er Jahre die These vom Widerstand einer ‚kleinen Elite‘ gesprochen. Er wies nach, dass jüngere Forschungsergebnisse z.B. von Gerhard Beier und später von Dr. Axel Ulrich und auch von ihm eine breite zivile Untergrundbewegung zur Vorbereitung des militärischen Putsches am 20. Juli 1944 die Voraussetzung war. Ohne diesen Widerstand ‚aus dem Volk‘, allen voran die Arbeiter_innenbewegung, hätte es niemals diesen Putschversuch gegeben. Die historische Tatsache, der antifaschistischen Ausschüsse in allen größeren Städten in den vier Besatzungsgebieten der Alliierten, ist der empirische Beleg für die Existenz dieser zivilen ‚Untergrundorganisation‘ des Widerstands gegen das Nazi-Regime. Man muss inzwischen von mehreren zehntausend Mitgliedern in diesen Untergrundorganisationen ausgehen. Die meisten im ‚Leuschner-Netzwerk‘.

In der anschließenden Diskussionsrunde mit Dr. Barbara Distel, Mathias Eckardt, Wolfgang Hasibether und Dr. Ludwig Unger unter Moderation von Hans-Otto Hemmer wurde auch die neuerdings wieder lauter werdenden Zweifel an der Lauterkeit der Leuschnerschen Widerstandstätigkeit durch seinen angeblichen Antiziganismus als hessischer Innenminister 1928 angesprochen. In der Diskussion wurde von Mechthildis Bocksch von der Bamberger Willi-Aron-Gesellschaft darauf hingewiesen, dass auch politische Fehler, wie die sogenannte ‚Zigeuner-Gesetzgebung‘ in der Weimarer Republik, die in Hessen, Preußen und Bayern eine Registrierungspflicht der Sinti- und Roma-Familien verursachte, nicht die demokratische Grundhaltung von Leuschner beeinträchtigten. Wolfgang Hasibether verwies auf die hessischen Akten zur Gesetzgebung, die im April 1928 im Hessischen Landtag abgeschlossen wurde und einige Jahre zurückreichte, in denen ursprünglich rassistische Passagen enthalten waren, von Leuschner eigenhändig gestrichen wurden und als reine Ordnungsrichtlinien verabschiedet wurden.

Pfarrer Helmut Bayer, ehemals in der Stadtkirchengemeinde tätig, verwies auf die Wichtigkeit des Erinnerns und Gedenken um dafür immun zu machen, was wieder sein könnte. Erinnerungsarbeit thematisiere Schmerz und Leid, sondern wie bei Leuschner auch hilfreiche und vorwärtsreichende Ideen.

Dr. Barbara Distel, ehemalige Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, verwies in ihrem Beitrag auf das stark nachlassende öffentliche Interesse am Widerstand und betonte die Wichtigkeit dieses Thema in den Medien zu behandeln und forderte von der Stadt Bayreuth diese Auseinandersetzung in Zukunft weiter stark zu fördern.

Die über hundert Besucher_innen der Veranstaltung zeigten jedenfalls die örtliche Resonanz des Gedenkens an einen großen Sohn der Stadt Bayreuth.

 

 

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