Am 1. Mai 1933 marschierten die SA- und SS-Kolonnen der Bayreuther Nationalsozialisten unter ihrem Gauführer Hans Schemm vom Luitpoldplatz (in Adolf-Hitler-Platz umbenannt) zum Marktplatz , um den ‚Tag der Nationalen Arbeit‘ zu feiern. Die Gewerkschaften und politischen Parteien der Arbeiterbewegung waren fast zerschlagen und wurden offiziell am 2. Mai 1933 verboten. In den Monaten seit der ‚Machtübertragung‘ am 30.1.1933 hatten sie ihren schärfsten Gegner, die deutsche Arbeiterbewegung, mit Terror überzogen und viele der führenden Köpfe von Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschaften inhaftiert und einige bereits umgebracht.
In Bayreuth wurden ab 9. März 1933 unter Führung des NS-Gauleiters der Ostmark, Hans Schemm (1889-1935), 28 Sozialdemokraten und 21 Kommunisten verhaftet und zuerst in der Polizeiwache im Alten Rathaus Bayreuth am Marktplatz eingesperrt und anschließend in das Arbeitslager und Zuchthaus im Stadtteil St. Georgen deportiert. In den folgenden Märztagen folgten weitere Verhaftungen in Bayreuth und anderen Orten in Ostoberfranken und die Einlieferung im Zuchthaus St. Georgen. Dort, so teilen uns persönliche Berichte der Familie des Gewerkschaftsführers und sozialdemokratischen Stadtrats Adam Seeser mit, wurden sie verhört und gefoltert.
Die Inhaftierung und Misshandlung der Gefangenen dauerte mehrere Wochen, bis diese am 24. April 1933 vom Zuchthaus zum Bayreuther Güterbahnhof geführt und in das Konzentrationslager Dachau deportiert wurden.
Zuvor hatte der Gauleiter Schemm das Eigentum der Gewerkschaften und der Parteien der Arbeiterbewegung und ihrer Genossenschaften und Vereine enteignet und in seinen persönlichen Besitz gebracht[1]. So wurden die Gebäude der SPD-Zeitung ‚Fränkische Volkstribüne‘, deren Druckerei und die Büros von SPD und Gewerkschaften in der Blumenstraße (heute Friedrich-Puchta-Straße) von ihm beschlagnahmt und die NS-Zeitung der Bayerischen Ostmark umgesiedelt und dort hergestellt und gedruckt. Sie war zuvor am Sternplatz im Haus der Bayerischen Ostmark seit 1928 untergebracht. Dieses Haus gehörte bis dahin dem jüdischen Kaufmann Simon Pfefferkorn, der dort sein Textilgeschäft betrieb und von Schemm zum Verkauf durch psychischen Terror genötigt wurde. Adam Seeser wurde als Kopf der sozialdemokratischen Stadtratsfraktion und Vorsitzender des Bayreuther Gewerkschaftskartells von Schemm der Unterschlagung von Geldern der Bayreuther Arbeiterbewegung (vor allem der Spendengelder für den Bau eines Volkshauses in der Harburger Straße) bezichtigt. Seeser musste, vorübergehend aus dem Zuchthaus entlassen, die Buchhaltung den NS-Schergen erläutern und es stellte sich heraus, dass die Behauptungen Schemms haltlos waren. Seeser musste wieder in das Zuchthaus zurück. Das gesamte Vermögen der Bayreuther Arbeiterbewegung ging in die Hände der NS-Führer über. Ein Vorgehen, das reichsweit von den Nationalsozialisten angewandt wurde. Am 1. Mai 1933 waren die Verteidiger von Freiheit und sozialer Gerechtigkeit von den Nationalsozialisten besiegt. Aber insbesondere die Arbeiterbewegung fand sich mit der Niederlage nicht ab. Der führende Sozialdemokrat und Reichstagsabgeordnete Friedrich Puchta (1883-1945), der bis 1933 als Redakteur die ‚Fränkische Volkstribüne‘ publizierte und am 9. März 1933 ebenso verhaftet wurde, ging nach seiner Entlassung aus dem KZ Dachau im Herbst 1933 in den Widerstand. Er wurde immer wieder verhaftet und gehörte dem Netzwerk Wilhelm Leuschners an, das reichsweit den Widerstand gegen das NS-Regime organisiert. Sein Weg gleicht dem vieler Genossinnen und Genossen der Arbeiterbewegung, die bis zum 8. Mai 1945 Leid, Verfolgung und oftmals den Tod für den Kampf um Freiheit und Demokratie auf sich nahmen. Friedrich Puchta und Oswald März waren in den letzten Kriegsjahren im Konzentrationslager eingesperrt und starben nach ihrer Befreiung im Frühjahr 1945 an den Folgen ihrer Inhaftierung. Sie sind beide auf dem Stadtfriedhof Bayreuth bestattet.
[1] vgl. Bald, Albrecht: Braun schimmert die Grenze…, Bayreuth 2014, S. 75 und Kühnel, Franz: Hans Schemm, Nürnberg 1985, S. 122, 151 und 156
Autor: Wolfgang Hasibether, Wilhelm-Leuschner-Stiftung Bayreuth, Quellen: Archiv der Stiftung nach Faksimile Stadtarchiv und Bernd-Mayer-Stiftung. Dokumentation auf www.wilhelm-leuschner-stiftung.de
Bayreuth ist die Geburtsstadt des Gewerkschafters, Politikers und antifaschistischen Widerstandskämpfers Wilhelm Leuschners, der hier am 15. Juni 1890 geboren wurde. Sein Geburtshaus in Moritzhöfen 25 ist seit September 2003 eine Gedenkstätte zur Erinnerung an sein Wirken. Zugleich ist es ein historischer Lernort für die nachwachsenden Generationen. Die Wilhelm-Leuschner-Stiftung übernimmt seit 2002 die Aufgabe, entsprechend ihrer Satzung, die Gedenkstättenarbeit zu koordinieren und die Bildungsarbeit für die Besuchergruppen in ihrem eigenen Wilhelm-Leuschner-Zentrum durchzuführen. Im Sinne des nachfolgenden Zitats aus der Aufgabenstellung der Bayerischen Gedenkstättenstiftung erfüllt die Stiftung ihr bürgerschaftliches Engagement: „Die Erinnerung an die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft wachzuhalten und die geschichtliche Erfahrungen und die daraus gewonnen Erkenntnisse weiterzutragen, ist nicht alleine Aufgabe des Staates, sondern ihrem Wesen nach eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie kann nur erfolgreich sein, wenn sie von den maßgebenden Kräften der Gesellschaft mitgetragen wird und muss diejenigen einbeziehen, die der Gedenkstättenarbeit in besonderer Weise verbunden sind.“
Die Wilhelm-Leuschner-Stiftung hat sich seit Beginn ihrer Arbeit beim Aufbau der Einrichtung der Gedenkstätte sowie der dann folgenden Bildungsarbeit für die Besuchergruppen von diesem Grundsatz leiten lassen.
Seit 1993 war der Bayreuther Verein für Sozial- und Kulturgeschichte um den Erhalt des Geburtshauses Wilhelm Leuschners bemüht. 1997 wurde es von der Stadt Bayreuth unter Denkmalschutz gestellt und der im Jahr 2000 von den damaligen Eigentümern beantragte Abriss des Geburtshauses konnte durch die Vereinsaktivitäten verhindert werden. Nach der Hausrenovierung durch den neuen privaten Eigentümer konnte in Zusammenarbeit mit der Stadt Bayreuth eine Gedenk- und Bildungsstätte durch die Wilhelm-Leuschner-Stiftung eingerichtet werden. Seit dem damaligen Einzug im Geburtshaus im Jahr 2002 wurde von der Stiftung daran gearbeitet, die Gedenkstätte aufzubauen und die Bildungsarbeit in einem eigenen Gebäude zu entwickeln. Nach zehn Jahren in Miete im Geburtshaus hat sich die Wilhelm-Leuschner-Stiftung dazu entschieden, ein eigenes Zentrum aufzubauen. Seit Juli 2012 ist die Stiftung in ihrem neuen Gebäude in der Herderstraße 29 und hat das Haus inzwischen zum Wilhelm-Leuschner-Zentrum eingerichtet. Dieses Zentrum ist zugleich der Ort, an dem der Nachlass von Wilhelm Leuschner original aufbewahrt, wissenschaftlich bearbeitet und im Netz digital zur Verfügung steht. Der Zugang wird von unserem Administrator auf Anfrage eingerichtet.